«Ist das Kommt-zu-uns-Konzept am Ende?»

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Im Rückblick auf Staffel 6 des Podcasts «Aufwärts stolpern» stellen sich die Hosts Anna Näf und Lukas Huber die Frage: «Ist das Kommt-zu-uns Konzept am Ende?» Speziell Kirchgemeinde mit Ambitionen haben in der Vergangenheit viel Aufwand betrieben, um einladende Gottesdienste anzubieten. Aber vielleicht sollten kirchliche Menschen die Richtung ändern …
Von Lukas Huber

 

Immer wieder haben Interviewgäste in Staffel 6 des LKF-Podcasts «Aufwärts stolpern» darüber gesprochen, dass es in Kirchgemeinden eine Spannung zwischen innen und aussen gibt, zwischen Einladung und Selber Hinausgehen. Pfarrer Bernhard Jungen hat in Episode 06-01 eindrücklich erzählt, wie seine Kirchgemeinde attraktive Gottesdienst-Angebote startete, dass er dann aber mit Unbehagen feststellte, dass die Kirche Menschen in die Kirche bringt, sie dann aber nicht mehr hinauslasse. Das sei aber gar nicht gut, sagte Jungen, seither geht er mit seiner Unfassbar zu den Menschen.

In Episode 06-02 sprach Franziska Huber ebenfalls davon, dass es wichtig sei, hinauszugehen – nicht mit einem missionarischen Anliegen, sondern im Vertrauen darauf, dass Gott schon in den Menschen am Wirken ist.

Schliesslich stellte Uwe Habenicht in Episode 06-09 fest, dass die Spiritualität nicht automatisch verschwindet, wenn jemand aus der Kirche austritt – dass aber das Kirchengebäude bei solchen Menschen kein Anknüpfungspunkt mehr sein könne. Darum lade er zum Beispiel  ein, am Lagerfeuer zu philosophieren.
 

Weniger Geld für Kirchengebäude

In amerikanischen Kirchen spiegle sich dieser Kulturwandel in den Ausgaben, die für den Kirchenbau getätigt werden, sagt Aufwärts-stolpern-Co-Host Lukas Huber. Zwischen 2002 und 2022 seien die Ausgaben für Kirchenbauten von 8,7 Milliarden auf 2,7 Milliarden gesunken, wobei die Gottesdienst-Räumlichkeiten massiv schrumpften zugunsten von «non-traditional space» (Quelle: der Podcast «Revitalize and Replant»). Es könne sehr wohl ein Teil des Nach-aussen-Gehen-Konzepts sein, kirchliche Gebäude für andere Anbieter und Anliegen zu öffnen; seine Kirchgemeinde zum Beispiel habe das Dachgeschoss des Mesmerhuus gegenüber der Kirche Löhningen ausgebaut; dort findet jetzt der offene Jugendtreff Check-in statt – betrieben von der Kirchgemeinde.

Co-Host Anna Näf war vor Jahren angestellt für den Check-in Löhningen. Sie schildert, wie zu Beginn nicht viele Kinder in den offenen Jugendtreff kamen – bis das Team das Mesmerhuus verliess und auf den Spielplatz bei der Schule gingen. Von da an seien die Besucherzahlen regelrecht explodiert. Nachdem die Beziehungen da waren, kamen die Kinder auch ins Mesmerhuus.

 

Nur körperlich hinausgehen reicht nicht

Allerdings reicht es noch nicht, die Kirchengebäude physisch zu verlassen. Das tun die Zeugen Jehovas auch, sagt Anna Näf. Es brauche auch einen mentalen Wandel: weniger die Bibel exegetisch sauber auslegen, sondern mehr das Leben biblisch auslegen.

Lukas Huber schildert die Erfahrungen seiner Kirchgemeinde mit einer Kontextanalyse, die am laufen ist. Sie hätten gemerkt, dass Beziehungen ein Thema sind im Dorf. Die Frage ist jetzt: Gibt es da die Möglichkeit, mit einem anderen Engagierten im Dorf zusammenzuarbeiten, um Begegnungsmöglichkeiten zu schaffen?

Also, fragt sich Anna Näf etwas skeptisch: Sollte man die Leute eher ins Dorf hinausschicken statt sie für kirchliche Anlässe anzufragen? Das ist für eine kirchliche Jugendarbeiterin nicht so einfach, das sie darauf angewiesen ist, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Angebote zu finden. Lukas Huber gibt auch zu bedenken, dass es möglicherweise einen Unterschied gebe zwischen 14- und 40-Jährigen: Junge Menschen wachsen im Glauben, wenn sie in einer verbindlichen Gemeinschaft mit anderen leben – also viel Zeit «drinnen» verbringen. Vielleicht sollten sie erst später «hinausgeschickt» werden?

Was, wenn man kein Vereinsmeier ist

Die Ausrichtung nach aussen muss sich am Ende im konkreten Leben ausdrücken, sind sich beide Hosts einig. Er sei kein Vereinsmeier, bekennt Lukas Huber, er gehe darum nicht in den Turnverein, auch wenn das eine gute Möglichkeit wäre, mit anderen unterwegs zu sein; er gehe dafür oft einfach im Dorf spazieren und lasse praktisch kein Adventsfenster in seinen Dörfern aus.

Anna Näf schliesst die Episode mit der Erkenntnis ab, dass es wohl einen bewussten Wandel in der Kirchgemeinde brauche. Dazu sei aber eine gute Verwurzelung im eigenen, persönlichen Glauben nötig.

Die ganze Episode kann man hier nachhören